„Viele Risse in der Wohnung und auf dem Balkon, im Dachgeschoss Risse in jedem Raum.“
Schwetzingen. Den 17. Januar dieses Jahres werden Gerti und Peter Miehle wohl nicht mehr vergessen. „Zwischen 09:15 und 09.30 Uhr gab es plötzlich ein Riesengetöse wie ein Erdbeben. Ich komme aus der ehemaligen DDR und da wurden schlagartig bei mir Erinnerungen wach, als früher russische Panzer durch unser kleines Dorf gefahren sind. Ich habe hier am Tisch gesessen und gezittert und gedacht, hier bricht alles zusammen“, berichtet die 86-jährige Gerti Miehle dem Landtagsabgeordneten Andreas Sturm (CDU) mit feuchten Augen, der zu einem Informationsbesuch vorbeigekommen war und seine Unterstützung anbot.
Als sie auf die Straße geeilt sei, habe sie die „riesigen Fahrzeuge“, die direkt vor ihrem Haus positioniert waren, gesehen und zudem einen Mann, der „einfach durch die Vorgärten spazierte und Messinstrumente aufstellte“. „Unsere Nachbarn und wir wussten von gar nichts. In unserem ganzen Umfeld hat niemand zuvor einen entsprechenden Infoflyer erhalten“, sagte Miehle.
Zurück im Haus habe sie bei der Stadt Schwetzingen angerufen. „Die Dame am Telefon ist informiert gewesen und hat mir gesagt, dass es bereits ein paar Anrufe diesbezüglich gegeben habe“, so Miehle. Von dieser habe sie dann auch erst erfahren, um was es gehe.
Als die Familie Miehle dann Risse in ihrer Wohnung feststellte, setzte sich Gerti Miehle mit der Schwetzinger Zeitung in Verbindung. „Ich dachte, das kann so nicht bleiben, da muss ich tätig werden.“ Dankbar seien sie SZ-Redakteur Andreas Lin, der bereits am nächsten Tag vor Ort gewesen sei und über den Vorfall berichtet habe.
Am darauffolgenden Samstagvormittag habe ein von dem Unternehmen GeoHardt GmbH Beauftragter sie aufgesucht und die entstandenen Schäden aufgenommen. Dieser habe allerdings betont, dass er Geologe und nicht Gutachter sei. In dem entsprechenden Protokoll, das Sturm sich ansah, steht unter anderem: „Viele Risse in der Wohnung und auf dem Balkon, im Dachgeschoss Risse in jedem Raum.“
Während Sturms Besuch bei dem Schwetzinger Ehepaar klingelt alle paar Minuten das Telefon, Freunde erkundigen sich, wie es ihnen gehe. Die ganze Aufregung ist weder an der 86-Jährigen noch an ihrem 83-jährigen Ehemann, der vor Kurzem aus dem Krankenhaus kam, spurlos vorübergegangen und es wird dauern, bis beide das verarbeitet haben, sofern das überhaupt geht. Gerti Miehle: „Mit der inneren Ruhe ist es vorbei, ich wache jetzt jeden Morgen ganz früh auf und mein erster Gedanke ist: Was ist mit der Wohnung?“
Das Medieninteresse sei groß, der SWR wollte ein Kamerateam vorbeischicken. Das haben beide allerdings abgelehnt. „Wir wollen nicht ins Fernsehen kommen, sondern dass die entstandenen Schäden schnellstmöglich behoben werden“, sagt Gerti Miehle. Und ihr Mann Peter befürchtet: „Das wird eine Baustelle geben, die lange dauert.“ Aktuell seien sie auf der Suche nach einem entsprechenden Fachanwalt.
Dass das Thema „Geothermie“ für beide ad acta gelegt ist, das dürfte nachvollziehbar sein. „Wir haben uns umfassend informiert“, sagte Gerti Miehle, während sie in einem kleinen Aktenordner blättert, in dem sich zahlreiche diesbezügliche Zeitungsberichte befinden. Und weiter: „Wer gibt uns denn die Garantie, dass so etwas bei einem Betrieb eines Geothermiekraftwerks nicht wieder passiert? Ich bin von Herzen dagegen. Eine Bürgerinitiative wäre wirklich gut.“
Der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm betonte nach Besichtigung der Wohnung, dass er erwarte, dass die entstandenen Schäden unverzüglich beseitigt werden.
„Das hat auch überhaupt nichts mit Kulanz zu tun, wie ich in einem Bericht gelesen habe. Hier geht es nicht um ein freundliches Entgegenkommen, sondern um einen gleichwertigen Ersatz. Das ist die Pflicht des Unternehmens.“
Ein Geothermiekraftwerk in der hiesigen Region lehne er aufgrund der Erfahrungen ab: „Wir befinden uns hier in einem tektonischen Erdbebengebiet. Zudem stehen Aufwand und Ertrag bei einem Geothermiekraftwerk in keinem Verhältnis. Es bestand nun die Möglichkeit, in einem geordneten und transparenten Verfahren für Vertrauen in der Bevölkerung zu werben. Wer aber den Umgang mit drei Rüttelfahrzeugen nicht beherrscht und ein solches Kommunikationsdesaster abliefert, dem traue ich auch keine Bohrung in 3500 Metern im Erdbebengebiet zu.”
Abschließend nahm Sturm gemeinsam mit Gerti Miehle einen Riss in Augenschein, der sich auf der Straße direkt gegenüber dem Haus befindet, in welchem die Eheleute Miehle ihre Eigentumswohnung haben, und der sich fast über die komplette Straßenbreite erstreckt. Miehle: "Genau hier stand ein Vibrationsfahrzeug. Und der Riss war vorher nicht da." (Text/Fotos: Matthias Busse)