Großbrand auf Hockenheimer Recyclinganlage
Hockenheim/Reilingen. Nach einem aktuellen Großbrand und ferner zwei, im Sommer 2018 und im Winter 2020 vorausgegangenen Bränden auf dem Gelände einer Recyclinganlage im Südwesten der Großen Kreisstadt Hockenheim, welche sich auf Reilinger Gemarkung befindet, hatte sich der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm (CDU) Anfang August mit einer Kleinen Anfrage an die baden-württembergische Landesregierung gewandt. Sturm wollte grundsätzlich geklärt wissen, welche Auflagen und Vorgaben für den Betrieb einer Recyclinganlage einzuhalten sind und ob bei Bränden und Unfällen Auflagen und Nachbesserungen auferlegt werden.
Eine Antwort seitens der Landesregierung ging am heutigen Dienstag, 23. August ein, das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft beantwortete Sturms Fragen im Einvernehmen mit dem Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen und dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen.
Auszugweise sind hier einige Fragen und Antworten aufgeführt, die komplette Beantwortung der Kleinen Anfrage ist als Anlage (PDF) beigefügt (siehe rechte Spalte unter "Informationen").
Frage 2: „Welche rechtlichen und technischen Auflagen und Vorgaben sind für den sachgerechten Betrieb einer Recyclinganlage / Abfalldeponie einzuhalten?“
Die Errichtung und der Betrieb von Recyclinganlagen unterliegen in der Regel einer Genehmigungspflicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn u. a. sichergestellt ist, dass von der Anlage keine schädlichen Umweltauswirkungen auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen getroffen wird. Was dies im Einzelfall konkret bedeutet, ergibt sich insbesondere aus technischen Regelwerken wie der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Abfallbehandlungsanlagen sowie den einschlägigen wasserrechtlichen, naturschutzrechtlichen und waldrechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus sind auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften einzuhalten. In diesem Zusammenhang sind etwa das Kreislaufwirtschaftsgesetz, die Gewerbeabfallverordnung, das Arbeitsschutzrecht und das Baurecht zu nennen, aus dem sich u. a. die Anforderungen zur Gewährleistung eines hinreichenden Brandschutzes ergeben. Die Errichtung und der Betrieb von Deponien bedürfen nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz einer Planfeststellung oder Plangenehmigung durch die zuständige Behörde. Auch diese Entscheidungen dürfen nur ergehen, wenn sichergestellt ist, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird, insbesondere keine Gefahren für Mensch und Natur hervorgerufen werden können und Vorsorge gegen etwaige Beeinträchtigungen dieser Schutzgüter durch bauliche, betriebliche und organisatorische Maßnahmen entsprechend dem Stand der Technik getroffen wird. Wie diesen Anforderungen im Einzelfall Rechnung zu tragen ist, ergibt sich aus den o. g. Vorschriften und Regelwerken, insbesondere aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, sowie der Deponieverordnung. Zur Sicherstellung der Einhaltung der o. g. Anforderungen werden auch entsprechende Nebenbestimmungen sowohl in die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen als auch in die abfallrechtlichen Planfeststellungen und Plangenehmigungen aufgenommen.
Frage 3: „Durch wen, in welchem Rahmen und Zeitraum, werden die auferlegten und einzuhaltenden Auflagen und Vorgaben überprüft?“
Die Überprüfung der einzuhaltenden Auflagen und Vorgaben erfolgt durch die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde. Bei Recyclinganlagen, die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind, sind dies in der Regel in den Landkreisen die Landratsämter und in den Stadtkreisen die Gemeinden als untere Immissionsschutzbehörden. Recyclinganlagen, die der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über Industrieemissionen – der sog. IE-Richtlinie – unterliegen, sind die Regierungspräsidien als Aufsichtsbehörde zuständig. Ähnlich verhält es sich bei der Zuständigkeit für Deponien: Grundsätzlich liegt diese bei den unteren Abfallrechtsbehörden. Für Deponien, die in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie fallen, ist das Regierungspräsidium als höhere Abfallrechtsbehörde zuständig. Überprüfungen finden zum einen anlassbezogen statt, z. B. bei Beschwerden wegen ernsthaften Umweltbeeinträchtigungen, bei Unfällen oder Bränden, Änderungen im Betrieb, bei Zertifizierungsterminen (z. B. als Entsorgungsfachbetrieb) sowie bei Verstößen gegen die maßgeblichen Rechtsvorschriften. Zum anderen finden sie regelmäßig nach den jeweiligen Überwachungsprogrammen der zuständigen Behörden für Recyclinganlagen und Deponien statt.
Frage 4: „Wie viele Brände und Unfallgeschehen sind in den letzten zehn Jahren bei den bestehenden Recyclinganlagen / Abfalldeponien in Baden-Württemberg dokumentiert (bitte mit Angabe der Anlage und des Vorfalls)?“
Im Jahr 2022 gab es 10 behördliche erfasste Fälle (weitere Angaben sind der Tabelle in der PDF zu entnehmen). Das Ausmaß der Brände bzw. Unfälle in den Recyclinganlagen ist sehr unterschiedlich und umfasst sowohl kleine Schwelbrände als auch Großbrände. Für die Deponien gilt seit dem 1. Juni 2005 ein Ablagerungsverbot für unvorbehandelte, organikreiche Siedlungsabfälle. Auf den Deponien werden seither nur noch mineralische oder mineralisierte Abfälle abgelagert, die nicht vermieden oder verwertet werden können. Diese Abfälle sind schwer brennbar. Ein Brand im Hinblick auf den Deponiekörper bzw. die abgelagerten Abfälle ereignete sich daher in den letzten Jahren nicht.
Frage 5: „Wurden und werden den Betreibern der Recyclinganlagen / Abfalldeponien nach Bränden / Unfällen strengere Auflagen und Nachbesserungen auferlegt (bitte ggf. unter Nennung der Art der strengeren Auflagen und Nachbesserungen)?“
Sofern sich aus Unfällen, Bränden oder ähnlichen Ereignissen neue Erkenntnisse ergeben oder strengere Auflagen erforderlich scheinen, werden diese durch die Überwachungsbehörde nachträglich angeordnet (u. a. auch im Rahmen eines Wiederaufbaus). Dies geschieht insbesondere in enger Abstimmung mit der Feuerwehr und beinhaltet Maßnahmen wie z. B. automatische Brand- melde- oder Sprinkleranlagen, Funkenschlagerkennung oder Löschwasserrückhaltung.
Frage 6: „Welche strengeren Auflagen und Nachbesserungen wurden im konkreten Fall der Firma D. in Reilingen nach den Bränden in den Jahren 2018 und 2020 auferlegt?“
Im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung zur Ertüchtigung der Abfallbehandlungsanlage Ende November 2018 (im Nachgang zu dem Brand im August 2018) wurden entsprechende baurechtliche und brandschutztechnische Auflagen erlassen, so zum Beispiel die Baubegleitung durch einen Brandschutzsachverständigen, die Errichtung eines zusätzlichen Überflurhydranten, Anforderungen an Standorte und Art von Feuerlöschern, die Einrichtung einer Sicherheitsbeleuchtung in der nun vierseitig geschlossenen Produktionshalle sowie die Einrichtung und Kennzeichnung von Feuerwehrflächen. Nach dem Brand 2020 hat das Regierungspräsidium Karlsruhe im Einvernehmen mit der Stadt Hockenheim und den Feuerwehren der Stadt Hockenheim und der Gemeinde Reilingen eine nachträgliche Anordnung gegenüber der Fa. D. erlassen. Neben organisatorischen Maßnahmen wie der Benennung einer jederzeit ansprechbaren Person für die Feuerwehr, einer maximalen Höhenbegrenzung für die Lagerung von Abfällen in der Produktionshalle, der Aufteilung des nördlichen Außenlagers in zwei Hälften mit einem Freistreifen für die Feuerwehr sowie der Aktualisierung der Feuerwehrpläne wurden auch technische Maßnahmen angeordnet. Im Vordergrund standen dabei ein verbesserter Zugang für die Feuerwehr zum Anlagengelände, die Nachrüstung eines Radladers zur ersten Brandbekämpfung und Unterstützung der Feuerwehr sowie die Prüfung des bestehenden Regenrückhalte- und Löschwasserbeckens auf Dichtheit.
Frage 7: „Was waren die Ursachen der Brände bei der Firma D. in den Jahren 2018, 2020 und 2022?“
Bei den bisherigen Bränden konnte die Ursache nicht geklärt werden. Dies gilt auch für einen weiteren Brand ohne Sachschaden im Jahr 2021 innerhalb eines bereitgestellten Abfallcontainers. Der letzte Brand 2022 brach in einem Freilager für Kunststoffballen aus. Die Fa. D. vermutet Brandstiftung und hat Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.
Frage 8: „Plant die Landesregierung die Auflagen und Vorgaben in und für Recyclinganlagen / Abfalldeponien zu verschärfen, falls in ein und derselben Anlage erneut Brände auftraten (bitte ggf. unter Nennung der Gründe, warum dies nicht erfolgt)?“
Bauordnungsrechtlich handelt es sich bei den in Rede stehenden Anlagen um Sonderbauten gemäß § 38 der Landesbauordnung (LBO). An diese Anlagen können andere und weitergehende bauordnungsrechtliche Anforderungen gestellt werden, sofern dies im Einzelfall aufgrund der besonderen Art der Nutzung erforderlich ist. Kodifizierte Anforderungen an diese Art von baulichen Anlagen gibt es nicht und sind auch nicht geplant. Bauordnungsrechtliche Anforderungen sind zudem immer abstrakt gefasst und generell für alle vergleichbaren Vorhaben verbindlich. Anforderungen aufgrund von tatsächlichen Brandereignissen sind mithin nicht möglich. Ein Regelungserfordernis für eine solche allgemeingültige Regelung ist allein aufgrund eines Einzelfalles grundsätzlich nicht gegeben. Im Übrigen stellen sich die genannten Anlagen hinsichtlich des Brandschutzes regelmäßig dann als eher unproblematisch dar, wenn eine Abfallverbrennungsanlage Teil des Regelbetriebs ist; identifizierte Glutnester, die aus unterschiedlichen Gründen in den Lagerabteilungen entstehen können, werden dann zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Verbrennung zugeführt. Dafür wird meist eine automatische Branderkennung installiert und ein Greifer entsprechend angesteuert. Bei Anlagen ohne angeschlossene Abfallverbrennung (reine Sortieranlagen mit Lagerhaltung) ist ein hinreichendes Brandschutzniveau über Abstände zwischen den Lagerabteilungen bzw. über Branderkennung und automatische Löschanlagen oder über eine Kombination aus unterschiedlichen Ansätzen umzusetzen. Dies ist Aufgabe der örtlich zuständigen unteren Baurechtsbehörden, die mit dem geltenden Recht einen Rahmen zur Verfügung haben, der die Erreichung eines hinreichenden Sicherheitsniveaus im Brandschutz ermöglicht. Dass es in einer Anlage mehrfach gebrannt hat, sagt im Übrigen nichts darüber aus, ob der dort realisierte Brandschutz das erforderliche Sicherheitsniveau unterschreitet. Allenfalls könnten solche Vorfälle Anlass für die untere Baurechtsbehörde sein, zu prüfen, ob ggf. bei der Genehmigung nicht absehbare Gefährdungen Nachforderungen gemäß § 58 Absatz 6 LBO erforderlich machen. Bei der Recyclinganlage der Fa. D. sollte in diesem Sinne ein Weg geprüft werden, der geeignet ist, das Risiko weiterer Brandereignisse mit maßgeblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit der Menschen in der weiteren Umgebung der Anlage und mit maßgeblichem Schadenspotential an den natürlichen Lebensgrundlagen deutlich zu reduzieren. Die örtlich zuständige untere Baurechtsbehörde hat dazu gemäß § 47 Absatz 1 LBO nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu ergreifen, die in diesem Einzelfall erforderlich sind.
Frage 9: „Ist der Landesregierung bekannt, ob die örtlichen (oftmals auch ehrenamtlichen) Feuerwehren, die im Brandfall zur Bekämpfung des Brandes ausrücken, auch für einen solchen Einsatz ausreichend ausgestattet sind?“
Die Gemeinden haben nach dem Feuerwehrgesetz auf ihre Kosten eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten. Dabei wird die Ausstattung der Gemeindefeuerwehren regelmäßig im Rahmen einer Bedarfsplanung den örtlichen Verhältnissen angepasst, um die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr zu erhalten. Bei den örtlichen Verhältnissen einer Gemeinde werden die Größe des zu schützenden Bereichs, die Brandlasten der vorhandenen Gebäude und Anlagen, die Verkehrswege, die topographische Lage und die Löschwasserversorgung berücksichtigt. Die Gemeinden werden von den Landkreisen bei der Planung der Zusammenarbeit der Feuerwehren und bei der Festlegung von Alarm- und Ausrückeordnungen unterstützt. So wird beispielsweise sichergestellt, dass bei bestimmten Brandszenarien von der Integrierten Leitstelle gleich mehrere Feuerwehren alarmiert werden. Der Kreisbrandmeister unterstützt darüber hinaus bei der Planung und Beschaffung der für den überörtlichen Einsatz der Feuerwehren notwendigen Feuerwehrausrüstungen und -einrichtungen. Die notwendigen kommunalen Investitionen im Feuerwehrwesen werden auf Grundlage der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über Zuwendungen für das Feuerwehrwesen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durch das Land gefördert. Der Vorteil dieses Feuerwehrsystems liegt insbesondere bei Großbränden somit klar in der Zusammenarbeit der einzelnen Feuerwehren. Neben der Ausstattung der Feuerwehren ist auch eine gute Ausbildung der Feuerwehrangehörigen die Grundlage für eine erfolgreiche Brandbekämpfung. Neben der Ausbildung auf Gemeindeebene planen die Landkreise die Durchführung gemeinsamer Übungen sowie die übergreifende Aus- und Fortbildung für die Grundausbildungslehrgänge auf Kreisebene. Darüber hinaus betreibt das Land für die weiter notwendigen Aus- und Fortbildungen von Führungskräften und spezielle überörtliche Lehrgänge die Landesfeuerwehrschule. Der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm abschließend: „Ich danke dem Umweltministerium für die zügige Bearbeitung. Die Aufsichtsbehörden haben angemessen reagiert und nun ist die Aufgabe, die Schwachstellen zu identifizieren. Ich erwarte, dass die örtlich zuständige untere Baurechtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen ergreift, die in dem vorliegenden Fall erforderlich sind." Sturm informierte auch den Hockenheimer Oberbürgermeister Marcus Zeitler und den Reilinger Bürgermeister Stefan Weisbrod über die Beantwortung seiner Kleinen Anfrage. (Text/Foto: Busse / Landtag BW)