CDU Gemeindeverband Oftersheim

Europas Geist und Shakespeares Vermächtnis

Landtagsabgeordneter Andreas Sturm (CDU) sprach in Brüssel über die prägenden Werte und Widersprüche, die Europas Einzigartigkeit ausmachen

Brüssel. Am vergangenen Donnerstagmittag (4. November) hielt der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm eine inspirierende Lesung in der Landesvertretung Baden-Württemberg, einem symbolträchtigen Ort, wenn es um europäische Werte und Kultur geht. Rund 80 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer waren gekommen, um Einblicke in sein jüngstes Buch „Shakespeare und die Entstehung des europäischen Geistes“ zu erhalten.

Bodo Lehmann und Andreas Sturm (Foto: Busse)Bodo Lehmann und Andreas Sturm (Foto: Busse)

Bodo Lehmann, Leiter der Landesvertretung, betonte in seiner Begrüßung die Relevanz dieses Werkes: „Dieser Ansatz ist bedeutend und äußerst spannend zugleich. Wenn wir uns als Europäer auf die Suche nach dem Ursprung unserer demokratischen Werte und unseres europäischen Geistes begeben, dann reisen wir zurück, über Antike in die Renaissance.“ Beide seien prägende Epochen Shakespeares, und Sturm schlage eine Brücke bis in die aktuelle Gegenwart. Der rege Zuspruch der Zuhörerschaft verdeutliche das große Interesse an diesem Thema, so Lehmann weiter.

Sturm begann seine Lesung mit einem Rückblick auf die Entstehung seines Werkes: Vier Tage nachdem er die ersten Zeilen geschrieben hatte, begann der Krieg in der Ukraine. Damit gewannen die drängenden Fragen, die ihn von Beginn an beschäftigten, eine neue, schmerzhafte Aktualität: Was ist der europäische Geist, und wer teilt diesen? Gibt es überhaupt europäische Werte, und wie weit würden die Europäer gehen, um sie zu verteidigen?

Der europäische Gedanke, so Sturm, habe eine lange und bewegte Geschichte, gerade auch mit Blick auf die Literatur. Ein besonderer Platz gehöre hier Shakespeare, der in seinen Stücken universelle Themen und die Komplexität der menschlichen Natur eindrucksvoll darstellt.

In seinem Buch spannt Sturm den Bogen von den Ursprüngen des europäischen Geistes in der Antike und Renaissance bis zur Romantik, einer Epoche, die, so erklärte Sturm, häufig als Wiege der europäischen Moderne betrachtet werde. Shakespeare habe maßgeblich zur europäischen Kultur beigetragen und sei – insbesondere im Bereich der „Schwarzen Romantik“ – ein wichtiger Impulsgeber gewesen. Hierdurch entwickelte sich ein kulturelles Bewusstsein, das, anfangs in Nationalstaaten verwurzelt, schließlich den Weg zum europäischen Gedankengut ebnete. Sturm ging auch auf die historische Rolle Shakespeares in Deutschland ein. Shakespeares Werke hätten zur Etablierung eines Nationaltheaters beigetragen.

Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg führte Sturm aus, dass zahlreiche Briten von ihrem damaligen Premierminister Winston Churchill gefordert hätten, alle Kultureinrichtungen zu schließen und das Geld in die Kriegsflotte zu investieren. Churchill habe diesen entgegnet: „Für was kämpfen wir dann?“

In Bezug auf aktuelle europäische Herausforderungen brachte Sturm eine kraftvolle Metapher: Europa sei zeitweise wie der blinde Graf in Shakespeares „King Lear“, der erst nach seiner Erblindung die Wahrheit erkenne. „Es müssen wohl erst Rückschläge passieren, bevor Europa zusammenrückt,“ resümierte Sturm und appellierte an die Bereitschaft, für europäische Werte einzustehen. Dies sei in Zeiten von Brexit, aufkommendem Nationalismus und Krieg in Europa entscheidender denn je.

Sturm hob hervor, dass die europäische Identität von produktiven Gegensätzen lebe, die sich in den europäischen Werten widerspiegeln: „Zentrale Werte wie Freiheit und Verantwortung, Idealismus und Realismus, Toleranz und Prinzipientreue bilden ein Spannungsfeld, das Europas Einmaligkeit ausmacht.“ In den Worten des Bestsellerautors Peter Prange sei die europäische Kultur eine „Kultur der Gegensätze“.

Sturm hinterließ das Brüsseler Publikum mit einer dringlichen Frage: „Lieben wir Europa, so wie die Amerikaner ihr Land lieben?“ Seine Lesung war ein leidenschaftliches Plädoyer, sich dieser Frage zu stellen und für den europäischen Geist einzutreten, der sich in Jahrhunderten gemeinsamer Kultur entwickelt habe und dessen Erbe es zu bewahren gelte. (Text/Foto: Matthias Busse)